Voraussichtlich zum Jahresende wird die Zivilkamer 64. des Landgerichts Berlin aufgelöst. Die Kammer war lange Jahre zuständig für Wohnraummiete (Berufungen) aus den West-Berliner Bezirken Neukölln und Spandau und damit auch recht gut ausgelastet. Dies hat sich aber offenbar mit der zunehmenden Verarmung beider Bezirke geändert, so dass der geringe Geschäftsanfall keine eigene Berufungskammer mehr rechtfertigt.
Es ist traurig: Über mehr als 10 hat die 64. Zivilkammer des LG Berlin mit Ihren Berufungsurteilen in Mietsachen Mietrecht gemacht. Und zwar nicht ganz unwesentlich. Denn die zum Teil sehr mieterfreundlichen Ansichten des langjährigen Vorsitzenden Kinne insbesondere zu den Anforderungen an Betriebskostenabrechnunen führten für manchen Neuköllner oder Spandauer Mieter zu einem unverhofften Prozesserfolg.
So forderte Kinne vehement, dass in einer Betriebskostenabrechnung die Reinigungsklassen der Berliner Stadtreinigung oder die Anzahl der wöchentlichen Entleerungen beim Müll anzugeben seien. Seitdem haben (zumindest im Westteil der Stadt) die Erläuterungen von Nebenkostenabrechnungen ein gediegenes Niveau erreicht und wird auch auf Mieterseite genau hingeschaut.
Unvergesslich auch der gewollt chaotische Verhandlungsstil dieser Kammer in der damaligen Zeit: Da wurden selbst in übersichtlichen Mietsachen bis zu 12. Zeugen terminsvorbereitend, also „vorsorglich“ geladen und füllten den Flur vor dem Gerichtssaal eindrucksvoll. Nach einer ausführlichen Belehrung der Zeugen und im Beisein der Parteien stellte Kinne dann lang und breit und fachkundig die komplizierte Sach- und Rechtslage dar. Und vermochte dabei durchaus gekonnt und in sehr verständlicher anschaulicher Sprache beiden Prozessparteien zu vermitteln, dass das mietrechtliche Leben vor dieser Kammer nicht ganz einfach sei. Worauf die Parteien sehr oft das Kriegsbeil begruben und sich verglichen haben. Und die vielen Zeugen wurden „mit Dank entlassen“.
Herr Kinne verabschiedete sich nach Erreichen der Altersgrenze etwas überstürzt von seinen Kolleginnen und Kollegen.
Ihm folgte als Vorsitzender Herr Hönig, ebenfalls sehr erfahren in diesem Geschäft. Er war lange Jahre Beisitzer einer anderen-, nämlich der 65. Mietberufungskammer des Landgerichts und setzte (allerdings mit anderen Mitteln), den Verhandlungsstil seines Amtsvorgängers fort. In allen Details und außerordentlich detailfreudig wurde auch hier den Parteien vermittelt, dass die mietrechtliche Wahrheit oft in der Mitte liegt und damit Vergleichsbereitschaft gefördert. Jedoch erschienen jetzt nicht mehr so viele Zeugen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Mietrecht in Spandau und Neukölln jetzt nicht völlig zum Erliegen kommt und die Richter der 64. Kammer bei sich nicht anderen Rechtsgebieten zuwenden.
Als praktische Handlungsempfehlung:
Es sollten alle Mietrechtsberufungskammern des Landgerichts Berlin, insbesondere diejenige der Richterin Paschke aufgelöst und die Richter an Amtsgerichte in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Abteilungen für Grundbuchrecht, versetzt werden, damit in Berlin endlich mal Ruhe einkehrt und auf die Rechtssprecung wieder Verlass ist!
Nee, echt mal: Das ist mir zu blindwütig. Es würde ja schon mal ausreichen, wenn die Berliner Justizverwaltung für ihre Richter von Mietberufungskammer (und allgemein) sinnvolle Compliance-Regeln entwirft, so dass nicht einzelne Richter und Kammervorsitzende gefühlt hunderte Seminartermine für Hausverwaltungen und Seminarveranstalter neben der normalen Arbeit durchziehen. Aber soweit mir bekannt hat die Berliner Justizverwaltung dazu immer nur gesagt, es gäbe da kein Problem.