Corona für Vermieter und Mieter

Durch die als Corona bekannte Pandemie, welche sich momentan rasend schnell in Mitteleuropa verbreitet, kommt es zu teilweise dramatischen Veränderungen auch für Wohnraum- und Gewerbemietverhältnisse. Ich will hier kurz darstellen, worauf sich insbesondere Vermieter in den nächsten Monaten einstellen müssen:

  1. Die Gerichte (jedenfalls in Berlin) stellen faktisch ihre Tätigkeit ein. Schon jetzt sind (wie mir betroffene Richter telefonisch mitteilen) die meisten Geschäftsstellen nicht mehr besetzt. Gerichtstermine finden nach vorläufiger Planung bis 19.04.2020 nicht statt. Bereits anberaumte Termine werden aufgehoben. Neue Termine werden voraussichtlich erst nach einem Anlaufen des Betriebes bei den Gerichten und Abarbeitung der massiven Rückstände ab Juni 2020 anberaumt werden. Faktisch haben wir uns daher auf einen vorübergehenden Stillstand der Rechtspflege einzustellen.
  2. Es wird zunächst bei den von Betriebsschließungen und Stilllegung Betroffenen Betrieben der Gastronomie und des Einzelhandels, später auch bei praktisch allen anderen Gewerbemietern zu massiven Zahlungsausfällen und Insolvenzen kommen. Wie ich soeben erfahre, gehen auch größere Hotelketten derzeit in die vollständige Betriebsschließung, hier wird es zu Insolvenzen kommen. Selbst bei großzügigen staatlichen Hilfen ist nicht davon auszugehen, dass für Tausende kleiner und mittlerer Gewerbebetriebe kurzfristig die für die Aufrechterhaltung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Mittel bereitgestellt werden können. Hier wird es in den kommenden Monaten notwendig sein, dass entweder mit schließenden Mietern geklärt wird, ob eine sofortige Rückgabe des Objekts erfolgt oder ob dieses noch weiter bewirtschaftet wird. Denn ansonsten ist eine Objektbewachung oder Objektsicherung einzurichten – und das bedeutet weitere erhebliche Kosten.
  3. Mit kleineren Betrieben sollte unbürokratisch und direkt die Perspektive besprochen werden. Hier kommt eine teilweise Stundung, besser ein teilweiser Erlass der vereinbarten Miete in Betracht, wenn sich die Mieter im Gegenzug verpflichten, das Objekt sofort nach Ende der Schließung wieder zu eröffnen und in der Zwischenzeit zu bewirtschaften/bewachen. Sinnvoll erscheint nach dem derzeitigen Stand ein Zeitraum von drei bis 5 Monaten, also bis Juli/August.
  4. Ein vollständiger Stopp aller Mietzahlungen ist aus vielen Gründen nicht sinnvoll, auch nicht vorübergehend! Die meisten Gewerbetreibenden haben Rücklagen oder bekommen Überbrückungsgelder und staatliche Hilfen.
  5. Bei Wohnraummietern sollte vor allem Hektik vermieden werden. Hier wird es meist nicht sofort und nicht vollständig zu Zahlungsausfällen kommen. Bleiben einzelne Mieten aus, muss mit den Mietern persönlich und individuell geklärt werden, ob die Mietzahlungsfähigkeit nur vorübergehend beeinträchtigt ist und vor allem, ob staatliche Hilfen beantragt und zu erwarten sind. Die Mieter müssen/sollen schriftliche Belege/Unterlagen vorlegen! Ein vollständiger Stopp mit Mietzahlungen ist gerade bei Wohnraummietverhältnissen nicht akzeptabel! Keinesfalls sollte sofort und in jedem Fall Räumungsklage eingereicht werden.

Bedenken Sie: Die Weltwirtschaft steht nach Ansicht von Experten bereits jetzt in der vermutlich größten Krise aller Zeiten, denn eine komplett herunter gefahrene Wirtschaft lässt sich nur über Jahre wieder aufbauen. Versuchen wir, besonnen damit umzugehen!

Beklagter mit Stil

Schön ist der Wedding. Nicht immer und überall, aber jedenfalls im historischen und denkmalgeschützten Gebäude des Amtsgericht Wedding, wo ich im Frühjahr für eine Behörde und mit Streithelfer auf dieser Seite stand.

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In dem betreffenden Verfahren geht es um die juristisch sehr spannende Frage, ob Anwohner die Miete mindern dürfen, wenn in 50 – 80 Meter Entfernung eine ehemalige Schule in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt und (in dem Fall) mit bis zu 380 Flüchtlingen belegt wird. Für Fachleute die Stichworte: Umweltveränderung, Mangelbegriff, Abwehranspruch, Bolzplatzentscheidung des BGH.

Eigenbedarf für Anwaltskanzlei und Besucher

Zu den Tiefpunkten der mietrechtlichen Rechtsprechung der letzten Jahre gehörten die „Rechtsanwältin-Entscheidung“ des BGH vom 26.09.2012 sowie die „Tochterbesuche“ Entscheidung des LG Berlin vom 22.08.2013.1 Nicht wegen des Ergebnisses, sondern wegen der Begründungen. In beiden Fällen verkannten die Gerichte ihre Entscheidungskompetenz und nahmen „echten“ Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2  BGB an, obwohl es sich in beiden Fällen allenfalls um sonstigen Bedarf bzw. nicht um privilegierte Gebrauchsformen im Sinne dieser Vorschrift handeln konnte. Mit der Folge, dass bei einwandfreier Rechtsanwendung in beiden Fällen kein „Eigenbedarf“ (genauer: kein Kündigungsgrund) vorgelegen hätte.

In seinem jüngsten Aufsatz zu diesem Problem in der jüngsten WuM2 legt der in Berlin und Innsbruck lehrende Professor Häublein dar, welche schlicht ausgedrückt schlampigen Einordnungen unterschiedlicher Sachverhalte dem zu Grunde liegen. Unbedingt lesenswert!


  1. LG Berlin, Urteil vom 22.08.2013 -67 S 121/12- in WuM 2013, 741 

  2. Häublein, Eigenbedarf und eigenbedarfsähnliche Kündigungsgründe WuM 2014, 635 

Nebenjob oder Gesinnung?

Wenn der Tagesspiegel über Richter schreibt, wie in diesem Beitrag, dann ist das eher ungewöhnlich. Es ging um den immer wieder geäußerten Vorwurf, eine Vorsitzende Richterin einer Berliner Mietberufungskammer sei einseitig vermieterfreundlich und befangen. Ich konnte das im Interview mit dem Tagesspiegel (und werde korrekt zitiert) gegenüber der Journalistin nicht bestätigen. Halte aber die dort angefangene Diskussion für richtig und notwendig.

Frau Paschke ist seit Jahren Vorsitzende Richterin einer Mietberufungskammer beim LG Weiterlesen

Prof. Lammel rächt Aprilscherz

Fehlte: Der Heizkostenverteiler

Manchmal kann sogar ich ein Schmunzeln nicht unterdrücken: Da bekam ich von der Vorsitzenden Richterin Regine Paschke und Ihrer Kammer im vergangenen Jahr pünktlich am ersten April ein Urteil um die Ohren gehauen1 dessen Leitsätze ein Mietrechtler eigentlich nur als Aprilscherz empfinden kann. Mehrere- nein schon fast alle Todsünden des wohnraummietrechtlichen Berufungsgerichts (falsches Heranziehen nicht einschlägiger BGH-Rechtsprechung, unvollständige Sachverhaltserfassung, verdeckte Billigkeitserwägungen, eigenwillige Rechtsanwendung contra legem, Nichtzulassen der Revision trotz offensichtlicher Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung) fanden sich in einem Urteil, das offensichtlich nur vom Ergebnis her gedacht war nämlich (um es mal im Stile Paschkes auf balinerisch zu sagen)

wat willste denn, hast doch Heizung und Warmwasser verbraucht.

Und das ist wirklich keine gediegene Juristerei, sondern die von mir immer so sehr Weiterlesen


  1. LG Berlin, Urteil vom 01.04.2011 -63 S 409/10- in GE 2011, 612 

Räumungsklage ist nie zu früh

Eine gute Regel bei der Durchsetzung des Räumungsanspruchs gegenüber einem nicht vertragstreuen Mieter lautet, sofort Klage einzureichen, wenn die Vertragsverletzung offensichtlich und die freiwillige Räumung nicht absehbar ist. Zwar kann der Vermieter durchaus einmal die Kosten der erledigten Räumungsklage tragen, wenn er wie in dem vom LG Berlin entschiedenen Fall bei einer ordentlichen Kündigung vor Ablauf der Räumungsfrist klagt.

Jedoch steht sich der Vermieter in aller Regel wirtschaftlich besser, wenn er durch sofortige Einreichung der Räumungsklage nach Vorliegen der Voraussetzungen dafür sorgt, dass nicht die vielfach über 3 Monaten Dauer liegenden Bearbeitungszeiten der Gerichte dafür sorgen, dass der Mieter ein halbes Jahr oder länger „mietfrei“ wohnt. In meiner langjährigen Praxis mit der Durchsetzung von Räumungsansprüchen erinnere ich insgesamt nur drei (von mehreren hundert) Fälle, wo der Mieter nach Erhalt der fristlosen Kündigung tatsächlich „auf erste Anforderung“ ausgezogen ist. Und selbst in diesen wenigen Fällen entstand daraus kein wirtschaftlicher Schaden für den Vermieter. Also: Nicht auf die nächste fehlende Mietzahlung warten, sondern gleich vom Anwalt helfen lassen.

Mit dem Kopf durch die Wand

Fogging in Zimmerecke (Quelle: Wikipedia)

Es gibt Fälle, da möchte man fast schon dem Kollegen auf der anderen Seite helfen. Der vom BGH bereits im März entschiedene Fall war so ein Fall. Der Mieter unserer Mandantin hatte auf Beseitigung von schwärzlichen Belägen geklagt, die sich aus seiner Sicht als Fogging darstellten. Und zwar gegen die frühere Vermieterin und nicht (wie es richtig gewesen wäre), deren Rechtsnachfolgerin.

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Der BGH hat zu tun

Unter Mietrechtlern kursiert hartnäckig der Spruch, dass der unter anderem für Wohnraummietsachen zuständige 8. Senat des BGH geschlossen werden müsste, wenn es keine Berliner Mietrechtsprozesse gäbe. Wahr an dieser Anekdote ist eigentlich nur, dass ein erheblicher Anteil der beim 8. Senat eingehenden Verfahren aus Berlin kommt.

Wahr ist auch, dass unsere Kanzlei daran nicht ganz unbeteiligt ist. Allerdings habe ich es aufgegeben, wie früher die Verfahren und deren Ergebnis zu zählen.

Im kommenden Jahr erwarten wir allerdings mindestens vier weitere Entscheidungen des BGH:

In zwei Fällen beschweren sich unsere Prozessgegner darüber, dass ihre Verwertungskündigung wegen unzureichender Darlegung des Kündigungsgrundes abgewiesen wurde. Dies sind übrigens nicht die einzigen Verfahren dieses Vermieters, sondern nur die beiden Verfahren, welche unsere Kanzlei geführt hat. Völlig unabhängig von den Erfolgsaussichten dieser Nichtzulassungsbeschwerden habe ich den Eindruck, dass dieser Prozessgegner sehr von seinem Anliegen überzeugt ist.

In einem weiteren Fall hatte das Kammergericht über die Frage zu entscheiden, ob der langjährige Gewerbemieter die Kosten für Munitionsräumung in Millionenhöhe ersetzt verlangen kann. Kann er nicht, urteilte der 8. Senat des Kammergerichts in einer seiner letzten Sitzungen vor der Pensionierung seines langjährigen Vorsitzenden Hans-Jürgen Bieber. Dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde des Prozessgegners, die nach dem sehr sorgfältig begründeten Urteil des Kammergerichts jedenfalls einige Hürden zu nehmen hat.

Aber nicht nur die Prozessgegner beschweren sich. Auch wir erwarten auf eine durch das LG Berlin zugelassene Revision eine Entscheidung zu der Frage, ob der Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts verpflichtet ist, an den Gebäudeeigentümer Vorauszahlungen für die durch das dingliche Recht verursachten Betriebskosten zu leisten (so die einhellige Literaturmeinung) oder nicht (so das Landgericht Berlin).

Betreut werden diese Verfahren auf unserer Seite durch die Rechtsanwältin beim BGH Cornelie von Gierke, deren beruflicher Werdegang in diesem Artikel der FAZ dargestellt ist.

Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Berlin und Brandenburg

Juris umsonst, das ist doch was: Die kostenfreie Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Berlin und Brandenburg bietet einen vollständigen Überblick auch über die unveröffentlichte Rechtsprechung Berliner Gerichte.

Durch die Zusammenarbeit mit Juris arbeitet die Technik fehlerfrei, die Abfrage ist sehr schnell. Eine gute Gelegenheit, um auch unveröffentlichte Entscheidungen beispielsweise zum „gestalteten Müllstandplatz“ zu recherchieren und wenigstens mit Aktenzeichen und URL zu zitieren.

Richter B. und die bevorstehende Pensionierung

Der Richter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg B. fiel während seiner langjährigen Tätigkeit seiner Berufungskammer und den vor seiner Abteilung tätigen Anwälten durch eine Vielzahl seltsam anmutender Marotten auf. Dazu gehörten unter anderem Urteile in Tabellenform, die wegen ihrer bunten Mischung aus Meinung, Fact und Fiction jedenfalls mich oft verwirrten. Dazu gehörten auch „frei gestellte Verhandlungstermine“, wo Anwälten und Parteien gleich mit der Ladung mitgeteilt wurde, dass die Verhandlung auch ohne sie stattfindet.

Offen gesagt war Herr B. auch in den bisherigen 20 Jahren meiner anwaltlichen Tätigkeit der einzige Richter, der mich so reizte, dass ich vor Gericht richtig lautstark wurde – keine Sternstunde des Anwalts, jedoch nach meiner Erinnerung auch wieder mal keine Sternstunde des Richters.

Überhaupt hatte ich bei diesem Richter immer etwas den Eindruck, dass seine durchaus umfangreiche Tätigkeit für den Grundeigentum-Verlag, wo er mehrere Bücher veröffentlichte und auch häufiger Seminare abhielt, zu einer gewissen Einseitigkeit im Mietrechtsverfahren führte. Wo immer es ein Argument für die Vermieterseite gab (für die ich auch recht häufig vor seiner Abteilung zu streiten hatte) – er fand es und stützte gern sein Urteil darauf.

Und weil nach meinem Eindruck viele Beamte kurz vor ihrer Pensionierung recht kühn werden, konnte und wollte Richter B., der kürzlich in den Ruhestand ging, auch dort hervortreten. Er verfasste ein Urteil, mit dem einem Mieter die Rechtswohltat des § 569 Abs. 3 BGB aberkannt wurde, weil am Ende der zwei Monate „Gnadenfrist“ auf dem Mietkonto 0,25 EUR fehlten:

Eine außerordentliche Kündigung wegen Mietrückstandes wird nur dann unwirksam, wenn der Mieter innerhalb der Schonfrist den gesamten Rückstand tilgt. Auch ein Rest von 0,25 Euro verhindert die Heilung. AG Tempelhof/Kreuzberg v. 19.7.2007 – 15 C 553/06 -, GE 2007, 1323

Man kann auch diese Rechtsansicht vertreten, wie so vieles im Leben.