Jetzt kommt bestimmt „Mietendeckel reloaded“

Heute Morgen im Auto auf der Rückfahrt von einem Räumungstermin per Telefon die Nachricht: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat den Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt. Was zu hoffen war angesichts der wirklich eindeutigen Rechtslage. Jedoch waren im aktuellen Zeitgeist „Mieten muss umsonst sein und Vermieter gehören enteignet“ Überraschungen möglich.
Und nun dies! Ich habe für heute Abend erstmal eine Flasche Sekt kaltgestellt und danach überlegt:

  1. Das ursprünglich wohl als „Wahlkampfmanöver“ gedachte „Projekt Mietendeckel“ der in meinen Augen völlig verkommenen und verantwortungslosen Berliner SPD gefolgt von wenig orientierten Koalitionspartnern „R2G“ funktioniert weiterhin. Für die SPD mit ihrer verzweifelten „wir müssen uns profilieren“ Mentalität kommt nach dem gescheiterten Hoffnungslauf die Dolchstoßlegende:
    „Die bösen Vermieterverbände und das böse, böse Verfassungsgericht haben uns Knüppel zwischen die Bein geworfen, aber wir haben ja unser Bestes versucht.“
    Macht sich gut im Wahlkampf, denn im November 2021 ist in Berlin Superwahljahr.
  2. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften tun mir leid. Natürlich sind die per „Dekret“ mit deutlichen und deutlich autoritären Briefen aus der Senatskanzlei (lag mir vor – liest sich nicht schön) dazu verdonnert worden, den „Mietendeckel“ zu beachten und die ohnehin moderaten Mieten nötigenfalls sogar abzusenken. Was kümmern einen gelernten Buchdrucker aus der Gewerkschaftsecke (gemeint ist der noch Regierende Bürgermeister) die Verluste der landeseigenen Gesellschaften allein aus dieser Aktion? Dabei wären gerade die landeseigenen Wohnungsgesellschaften gut aufgestellt, mit ihrer durchweg verantwortungsvollen Mietpreispolitik und ihrem relativ hohen Marktanteil dafür zu sorgen, dass die „Deutsche Wohnen“ nicht enteignet werden und der normale Wohnungsmieter sich nicht den Haien zum Fraß vorwerfen muss. Unmöglich mit einem Senat, in dem die verantwortungsvolle Wohnungswirtschaft (ja es gibt sie, ich nenne keine Namen) nur als vermeintlich kostenloser Selbstbedienungsladen für korrumpierte PolitikerInnen aus der Mauerstadt und deren Wahlkampfmanöver herhalten muss.
  3. Es wird nicht das letzte Manöver dieser Art sein. Da sich die meisten PolitikerInnen nicht nur in Berlin einen Dreck darum kümmern, dass es schon in 5 bis 10 Jahren keine Wohnungsnot mehr geben wird (da braucht man nur die Statistiken und Zahlen zu lesen – der demographische Wandel kommt!) graut es mir schon jetzt vor einer möglichen Bundesregierung mit SPD-Beteiligung oder gar einer allerdings unwahrscheinlichen „R2X“ Regierung ab November.
  4. Ich bin zwar nicht Kassandra, habe aber schon im frühen Stadium des „Mietendeckels“ meinen Klienten einen einfachen und im Nachhinein „goldwerten“ Rat gegeben:
    Abwarten, ob der Mietendeckel Bestand hat. Erst dann agieren!
  5. Verdient haben am Mietendeckel die üblichen Verdächtigen: Seminarveranstalter, Rechtsdienstleister und Anwaltskollegen, die ihren Klienten (allerdings in vielen Fällen aus politischem Druck heraus) aufwändige und teure Arrangements, Formulare, Mietverzichte, Vertragsänderungen und ähnliche Dinge gestrickt haben. Zum Stundensatz von 200,00 Euro aufwärts.
    Und verdient haben die (oft, aber nicht immer-) schwäbischen Bürgerkinder, die in den letzten Monaten mit Hilfe der „üblichen Verdächtigen“ ihre Mieten reduziert haben. Und jetzt nachzahlen müssen. Viel Spaß – hoffentlich sind die auch zahlungsfähig für Rückforderungsansprüche!
  6. Und übrigens: Rückforderung zu Unrecht abgesenkter Mieten ist in vielen Fällen möglich! Viele KollegInnen und auch ich bearbeiten solche Sachen als Inkassomandat und es wird empfohlen, hier schnell zu handeln. Bevor die nächste Welle der Enteignungsversuche aufschlägt – siehe Ziffer 3!

Aber jetzt erstmal: Prost!

Informationspflicht zum Mietendeckel Berlin 6 Monate aufgeschoben

Der Senat von Berlin hat auf einer seiner letzten Sitzungen beschlossen, Ordnungswidrigkeitenverfahren aus dem Gesetz über den Berliner „Mietendeckel“ wegen fehlender Information der Mieter gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes nicht sofort nach Ablauf der dort geregelten Frist von 2 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst nach insgesamt 8 Monaten zu verfolgen:

https://www.berlin.de/special/immobilien-und-wohnen/nachrichten/6119541-2340281-mietendeckel-keine-sanktionen-bei-versto.html

Diese Entscheidung des Senats führt im Ergebnis jedenfalls dazu, dass die ohnehin absurd kurz bemessene Frist zur Information der Mieter von zwei Monaten auf insgesamt 8 Monate bis Mitte August 2020 verlängert ist. Vorher will der Senat jedenfalls keine Bußgeldverfahren einleiten.

Hotelneubau in Zypern, Frühjahr 2019

Immerhin, möchte man sagen. Nicht nur ist das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zu Mietenbegrenzung“ vom 11.02.2020 nach meiner Meinung und der des LG Berlin klar verfassungswidrig, weil sich das Land Berlin damit faktisch Gesetzgebungskompetenzen des Bundes anmaßt. Und die Durchsetzung von verfassungswidrigen Gesetzen über Bußgeldandrohung ist vermutlich ebenso rechtswidrig und angreifbar wie das Gesetz selbst.

Sondern den Bezirksämtern, die ja für den Senat einmal mehr die Drecksarbeit machen und die vermeintlichen Ordnungswidrigkeiten verfolgen sollen, stehen im Moment schon wegen der Coronoa-Krise keinerlei Mitarbeiter für solche Aufgaben zur Verfügung.