Kevin Kühnert, die SPD und die Wohnungen in Berlin

Kevin Kühnert, 32 Jahre jung und Generalsekretär der SPD, sucht eine Wohnung. Das wäre nicht weiter schlimm, aber er setzt damit den Blätterwald Deutschlands in Bewegung, und tremoliert, er würde seit einem Jahr erfolglos eine Wohnung suchen. Kein Angebot, nur möblierte Wohnungen, ausgehebelt… blabla. Kevin Kühnert ist mein Nachbar, wohnt im selben Quartier wie ich. Er sucht offenbar in der näheren Umgebung. Und wie bei vielen PolitikerInnen außerhalb ihrer Kernkompetenzen ist seine kleine Pressekampagne mehr Einbildung als Wirklichkeit. Daher ein paar unerbetene Ratschläge und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit vom ImmoAdvo:

Screenshot Google-Suche vom 06.05.2022, az

Suche richtig, und nicht unter Deinem Einkommen!

Kevin Kühnert verdient als Bundestagsabgeordneter rund 180.000 € brutto jährlich, davon sind ca. 1/3 steuerfreie Aufwandsentschädigung, gedacht unter anderem für die „Berliner Wohnung“. Dies hat sein Amtsvorgänger Lars Klingbeil sehr anschaulich dargestellt. Sozialarbeiter, Mietervereine und auch Hausverwaltungen und deren Anwälte gehen davon aus, dass eine Mietbelastung von maximal 30 % des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens im Regelfall tragbar ist. Das ist auch als Faustregel die Grenze für eine finanzielle Härte bei der Prüfung einer modernisierungsbedingten Mieterhöhung. Für kleinere Haushaltseinkommen (wozu dieses- mit Sicherheit nicht zählt) verschieben sich diese Grenzen brutal nach oben. Aber in solchen Fällen greifen andere Regeln und in vielen Fällen „Subjektförderung“, also individuelle staatliche Hilfen, die eine bedarfsorientierte Logik haben.

Vor weniger als 2 Monaten habe ich selbst die Suchmaschinen angeworfen. Umkreis etwa 4 km von meinem/Kevins Kiez. Da ich wie Kevin Kühnert keine finanziellen Sorgen habe, suchte ich für 2 Personen rund < 100 m² und Miete nach oben offen. Bingo! Ich hatte etwa 30 Treffer in unmittelbarer Umgebung. In den Alboingärten vermietet ein großer deutscher Vermieter komfortable Neubauwohnungen in verschiedenen Größen für ca. 18 bis 20 €/m² – vielleicht nicht die Top-Lage, aber sofort zu haben, hell, neu und in Schöneberg. In der Martin Luther Straße die typische „abgerockte“ Altbau-Großwohnung im 4 OG mit Blick auf den Park – zu haben! In der Leberstraße zwei Straßen weiter diverse DG-Ausbauten von 80 – 120 m² – alle diese Wohnungen sofort verfügbar und unter 2.500,00 € monatlich warm.

Das Problem von Kevin Kühnert scheint mir zu sein, dass er eine schöne Wohnung für ein Studenteneinkommen sucht. Und daher konkurriert er mit denen, die auf solche Wohnungen eigentlich angewiesen sind. Das ist nicht nur unsozial, sondern richtig selfish. Außerdem würde er sogar eine vermutlich preiswertere Wohnung in unserer Nachbarschaft frei machen, wenn er sich eine seinem Einkommen entsprechende Wohnung anmietet. In jedem Fall hat er keinen Grund zur Klage.

Die SPD ist schuld – na ja, teilweise

Die SPD hat den Berliner Wohnungsmarkt in den letzten 20 Jahren richtig aufgemischt. Nicht allein, aber auch:

Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit propagierte „arm, aber sexy“ und sorgte mit einer gezielten „laissez faire“ Politik dafür, dass Berlin zur Welthauptstadt der von Billigfliegern mit jungen Touristen versorgten AirBnB-Wohnungen wurde. Also Wohnungen, die zweckentfremdet wurden als Hostels für „Billigtouristen“. Zweckentfremdung wurde zuerst nicht, seit der Wiedereinführung des Zweckentfremdungsrechts Mitte der 2000er Jahre nur halbherzig verfolgt. In Wohnungen untergebrachte Beherbergungsbetriebe durften auch ohne besonderen Brandschutz oder andere, für Hotels übliche staatliche Auflagen funktionierende Wohnungen dem Markt entziehen. Die Verbände der dadurch mit Konkurrenz im Niedrigpreissegment beeinträchtigten Hotellerie liefen damals erfolglos Sturm. Noch heute stöhnen engagierte Bezirksbeamte und -politikerInnen darüber, dass jeder Vorstoß gegen organisierte Wohnraumvernichtung durch „AirBnB“ und ähnliche Geschäftsmodelle auf Senatsebene verwässert oder abgeblockt wird. Mit dem Ergebnis, dass wir nach Schätzungen (genaue Zahlen gibt es nicht) 20.000 bis 80.000 zweckentfremdete Wohnungen haben, die dem Wohnungsmarkt fehlen.

Die Berliner SPD hat mit dem absurden „Mietendeckel“ den Mietspiegel zerstört. Und Mietspiegel sind (weil mehr als 90 % der Bestandsmieten mit ihrer Hilfe erhöht werden oder auch nicht) das wichtigste Instrument zur Deckelung der Bestandsmieten.

Die Bundes-SPD hat mit der Mietpreisbremse (das sind die im BGB verankerten Regelungen über die Begrenzung des Mietanstiegs bei Neuvermietungen) eigentlich alles richtig gemacht: Klare gesetzliche Regelung, verfassungsgemäß und flexibel durch Länder und Kommunen befristet anwendbar bei übergroßer Nachfrage nach Wohnraum. Aber die Regelung bevorzugt Neubauwohnungen (für die gilt die Mietpreisbremse nicht). Und Neubauwohnungen will der Generalsekretär der SPD offenbar nicht mieten, die sind ihm (Neubau kostet momentan so viel wie nie zuvor in Deutschland) zu teuer. Und es wurde „vergessen“, das Schlupfloch der möblierten Wohnungen zu schließen. Auch bei der Gesetzesnovelle. Dabei ist dieses Problem meinen KollegInnen und mir seit Jahren bekannt. Nur nicht der SPD? Hausaufgaben nicht gemacht, setzen!

Denke global!

In unserer Nachbarschaft gibt es sehr viele neue Familien und Single-Haushalte, die u.a. aus spanisch oder englisch sprechenden Ländern kommen. Die kamen nach der Finanzkrise 2008 auf der Suche nach Arbeit und Wohnraum nach Berlin. Denn da kosten die Wohnungen damals wie heute einen Bruchteil von dem, was in Madrid, Paris oder New York zu zahlen ist. Man nennt das Standortvorteil – Berliner Wohnungen sind zu billig! Das ist ja nicht falsch, aber wer zahlt das – immer nur die Vermieter mit gesetzlich verordnetem Renditedeckel? Wer in Berlin durch vergleichsweise preiswerten Wohnraum einen Nachfrageüberhang generiert, muss über die Folgen nicht weinen. Sondern sollte überlegen, ob zusätzliche Gesetze zur Deckelung von Bestandsmieten das richtige Instrument sind. Sind sie nicht, wenn dadurch zusätzlicher Druck auf den Markt ausgelöst wird. Genau das ist das Problem mit staatlichen Eingriffen zur Preisregulierung für lebensnotwendige Güter wie Wohnraum, wenn es keine Bedürfnisprüfung gibt. Denn eine Bedürfnisprüfung für eine besonders preiswerte Wohnung würde jedenfalls Kevin Kühnert nicht bestehen.

Denke antizyklisch!

In unserer Nachbarschaft gibt es ziemlich viele „Baby-Boomer“, Menschen, die wie ich selbst zwischen 55 und 70 Jahre alt sind. Die Geburtenrate ist stark rückläufig. Dies und der demographische Wandel werden dafür sorgen, dass unser Quartier in 5 bis 15 Jahren einen erheblichen Teil der Bewohner verliert. Dann gibt es auch hier wieder Wohnungen für Kevin. Dazu brauchen wir keine Kristallkugel. Ob es da richtig ist, mit massiver Verdichtung im Innenstadtbereich von Berlin Wohnungsneubau um jeden Preis zu wollen (den momentan ohnehin niemand bezahlen kann/will – auch Kevin Kühnert nicht)? Wohl kaum. Die heute gebauten Wohnungen sind – ich schweife ab – der Leerstand des Jahres 2035. Aber so langfristig denken Politiker wohl nicht.

You can’t beat the market!

Dieser Leitsatz „du kannst den Markt nicht schlagen“ gilt nicht nur für Börsenspekulanten, sondern vor allem auch für ein so wichtiges Gut wie Wohnraum. Wer künstlich die Preise drückt mit der absurden Deckelung von Bestandsmieten (Stichwort: „Mietendeckel“), verzerrt nur das Marktgeschehen, ohne dass dies irgend jemandem nützt. Berlin hat (auch das wohl eine Folge der vergleichsweise niedrigen Mieten), jahrzehntelang die niedrigsten Gehälter gehabt im Vergleich zu anderen europäischen oder deutschen Großstädten. Die Berliner Verwaltung zahlt Lehrern weniger als Brandenburg oder irgend jemand. Selbst Berlin hat mittlerweile gemerkt, dass diese Nummer des „arm, aber sexy“ auf Dauer nicht funktioniert. Frage mal jemand aus Köln, Düsseldorf oder München nach dem Verhältnis von Einkommen zu Warmmietbelastung.

Marktregulierung funktioniert nur in Kombination mit Zwangswirtschaft, konkret hier mit Wohnraumbewirtschatung. Wie in der ehemaligen DDR braucht es dafür eine staatliche Kontrolle der Wohnungsbelegung, Wohnraumzuweisung, Bedürfnisprüfung – das volle Programm. Das kann selbst ein ehemaliger JUSO Bundesvorsitzender nicht wollen. Und wenn doch, sollte er es offen sagen und dafür einstehen. Die Bedürfnisprüfung würde er aber auch hier nicht bestehen. Auch dieses maximal sozialistische System würde also Kevin Kühnert nicht seine 3-Zimmer Altbauwohnung für weniger als 1.200,00 € warm monatlich verschaffen. Also geh zurück zu Ratschlag # 1 und hör auf, öffentlich zu heulen.

Jetzt kommt bestimmt „Mietendeckel reloaded“

Heute Morgen im Auto auf der Rückfahrt von einem Räumungstermin per Telefon die Nachricht: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat den Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt. Was zu hoffen war angesichts der wirklich eindeutigen Rechtslage. Jedoch waren im aktuellen Zeitgeist „Mieten muss umsonst sein und Vermieter gehören enteignet“ Überraschungen möglich.
Und nun dies! Ich habe für heute Abend erstmal eine Flasche Sekt kaltgestellt und danach überlegt:

  1. Das ursprünglich wohl als „Wahlkampfmanöver“ gedachte „Projekt Mietendeckel“ der in meinen Augen völlig verkommenen und verantwortungslosen Berliner SPD gefolgt von wenig orientierten Koalitionspartnern „R2G“ funktioniert weiterhin. Für die SPD mit ihrer verzweifelten „wir müssen uns profilieren“ Mentalität kommt nach dem gescheiterten Hoffnungslauf die Dolchstoßlegende:
    „Die bösen Vermieterverbände und das böse, böse Verfassungsgericht haben uns Knüppel zwischen die Bein geworfen, aber wir haben ja unser Bestes versucht.“
    Macht sich gut im Wahlkampf, denn im November 2021 ist in Berlin Superwahljahr.
  2. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften tun mir leid. Natürlich sind die per „Dekret“ mit deutlichen und deutlich autoritären Briefen aus der Senatskanzlei (lag mir vor – liest sich nicht schön) dazu verdonnert worden, den „Mietendeckel“ zu beachten und die ohnehin moderaten Mieten nötigenfalls sogar abzusenken. Was kümmern einen gelernten Buchdrucker aus der Gewerkschaftsecke (gemeint ist der noch Regierende Bürgermeister) die Verluste der landeseigenen Gesellschaften allein aus dieser Aktion? Dabei wären gerade die landeseigenen Wohnungsgesellschaften gut aufgestellt, mit ihrer durchweg verantwortungsvollen Mietpreispolitik und ihrem relativ hohen Marktanteil dafür zu sorgen, dass die „Deutsche Wohnen“ nicht enteignet werden und der normale Wohnungsmieter sich nicht den Haien zum Fraß vorwerfen muss. Unmöglich mit einem Senat, in dem die verantwortungsvolle Wohnungswirtschaft (ja es gibt sie, ich nenne keine Namen) nur als vermeintlich kostenloser Selbstbedienungsladen für korrumpierte PolitikerInnen aus der Mauerstadt und deren Wahlkampfmanöver herhalten muss.
  3. Es wird nicht das letzte Manöver dieser Art sein. Da sich die meisten PolitikerInnen nicht nur in Berlin einen Dreck darum kümmern, dass es schon in 5 bis 10 Jahren keine Wohnungsnot mehr geben wird (da braucht man nur die Statistiken und Zahlen zu lesen – der demographische Wandel kommt!) graut es mir schon jetzt vor einer möglichen Bundesregierung mit SPD-Beteiligung oder gar einer allerdings unwahrscheinlichen „R2X“ Regierung ab November.
  4. Ich bin zwar nicht Kassandra, habe aber schon im frühen Stadium des „Mietendeckels“ meinen Klienten einen einfachen und im Nachhinein „goldwerten“ Rat gegeben:
    Abwarten, ob der Mietendeckel Bestand hat. Erst dann agieren!
  5. Verdient haben am Mietendeckel die üblichen Verdächtigen: Seminarveranstalter, Rechtsdienstleister und Anwaltskollegen, die ihren Klienten (allerdings in vielen Fällen aus politischem Druck heraus) aufwändige und teure Arrangements, Formulare, Mietverzichte, Vertragsänderungen und ähnliche Dinge gestrickt haben. Zum Stundensatz von 200,00 Euro aufwärts.
    Und verdient haben die (oft, aber nicht immer-) schwäbischen Bürgerkinder, die in den letzten Monaten mit Hilfe der „üblichen Verdächtigen“ ihre Mieten reduziert haben. Und jetzt nachzahlen müssen. Viel Spaß – hoffentlich sind die auch zahlungsfähig für Rückforderungsansprüche!
  6. Und übrigens: Rückforderung zu Unrecht abgesenkter Mieten ist in vielen Fällen möglich! Viele KollegInnen und auch ich bearbeiten solche Sachen als Inkassomandat und es wird empfohlen, hier schnell zu handeln. Bevor die nächste Welle der Enteignungsversuche aufschlägt – siehe Ziffer 3!

Aber jetzt erstmal: Prost!

@immoadvo #lasttweet

Unter dem Pseudonym @immoadvo habe ich etwa 10 Jahre lang (nicht oft, aber immer wieder gern) Nachrichten über Twitter abgesetzt – Hinweise auf aktuelle Einträge in meinen Blogs, Gedanken und Fakten zu aktuellen Themen im Bereich von Miete und Wohnen. Und dann kam der unsägliche, der Realtiy-TV Präsident der USA. Und es kam eine von diesen Influencerinnen aus dem Hause Kardashian – „my ass will blow the internet“.

Was als Informationsmedium – sozusagen als Pressespiegel begann, wo ich mich schnell informieren und Informationen aus vielen unterschiedlichen Quellen aggregieren konnte – es verkam zum Meinungsmedium, zur Plattform für selbsterenannte Auskenner, Trolle, Reality-TV Operettenkasper und für Hater aller Art. Möchtegern-Models, Frauen von Fußballspielern und natürlich Johnny Kaschulke aus der Eckkneipe – alle wollen sie etwas loswerden, Glaubenssätze, Ansichten und oft einfach nur Hass. Und füttern damit eine Firma, deren größte Umsatzbringer genau solche Suppenkasper sind wie die eingangs genannten. Es wurde zunehmend schwer erträglich. Zumal das Medium (ursprünglich noch mit 180 Zeichen) sich nicht für differenzierte Analyse eignet, wohl aber für One-Liner und Krawall aller Art.

Und dann war da noch der berühmte „Rotwein-Tweet“ des Robert Habeck, der am späten Abend Mist twitterte, nur um am nächsten Morgen zu merken, dass dies Mist war. Und sich (das muss man ihm wirklich hoch anrechnen) sofort von Twitter verabschiedete.

Denn es gibt keine andere Konsequenz als diese – es ist niemandem verwehrt, durch Talkshows zu tingeln, Fotos vom eigenen Hintern ins Internet zu stellen oder in jeder Form herumzutrollen. Aber wer da mitmacht, füttert das Biest. Ich nicht mehr und erst recht nicht beruflich. Sorry, aber bleiben Sie dran – es geht auch ohne Twitter!

Survival-Weihnachtsgrüße

Das Corona-Jahr 2020 geht dem Ende zu. Mietendeckel, „Legal Techs“, Mietpreisbremse, eine ziemlich durchgeknallte Initiative der Grünen zum Gewerbemietrecht (Kündigungsschutz wie für Wohnraum, aber für kleinere Gewerbebetriebe – wer braucht das bitte?) und vielfältige andere Beispiele des von einem merkwürdigen US-Präsidenten vorgelebten populistischen Aktionismus machen der Immobilienbranche und deren Anwälten das Leben schwer und sorgen für einen steten Fluss von gesetzgeberischen Aktionen. Das Mietrecht ist sozusagen in der populistischen Mitte der Öffentlichkeit angekommen und wir können nur hoffen, dass sich dieser Trend nicht die nächsten 10 Jahre fortsetzt.

Weihnachtsgrüße – Corona Edition

Aber: Hier sind alle gesund geblieben (Holz-Klopf), nur „richtige“ Besprechungen gibt es praktisch keine mehr. Meine Klienten haben gut gewirtschaftet und mit mir zusammen das Tagesgeschäft „gestemmt“ mit „Home-Office“ und kurzen Wegen über die Datenleitungen. Es gab relativ wenig Ärger im Großen, nur einige vom Lockdown gelangweilte Wohnraummieter haben versucht, am Rad zu drehen. Die Gerichte haben (trotz der erheblichen Ansteckungsrisiken in öffentlich genutzten Gebäuden) einen super Job gemacht. Die anfänglich längeren Verfahrensstände wurden von den Kolleginnen und Kollegen sehr konzentriert und zügig abgearbeitet, so dass wir mittlerweile fast wieder im „Normalbetrieb“ sind, was gerichtliche Verfahren angeht. Diese Situation erinnerte mich teilweise an die Berichte meines alten Ausbilders, der noch die Nachkriegszeit in Berlin als Anwalt erlebt hat: Ein einzelner Rechtsanwalt hatte damals 1500 bis 2500 Verfahren pro Jahr, die Schriftsätze waren selten länger als drei Seiten und alle mussten versuchen, ihre Arbeit zu schaffen.

Es hat Spaß gemacht, mit Euch/Ihnen zu arbeiten. Bleibt gesund und kommt gut in das nächste Jahr!

Räumung mit Kot und Waffen

Eine der vermutlich letzten Räumungen der nächsten Monate musste ein Brandenburger Mandant gestern mit der erfreulich schnellen Gerichtsvollzieherin des dortigen Vollstreckungsbezirks absolvieren. Man erlebt ja so einige Schweinereien in geräumten Wohnungen, aber diese Toilette:

Toilette mit Inhalt im Räumungstermin

Es gibt noch genauere Aufnahmen dieser Verwüstung. Aber die möchte ich nicht zeigen. Es ist zu unappetitlich.

Oder Waffen – (echt oder nicht, ist hier die Frage)?

Fundstücke im Räumungstermin (Brandenburg)

Flaschen und „Hausrat“ – viele Flaschen!

Flaschenlager im Räumungstermin einer Wohnung in Brandenburg

Manchen Mietern wünscht man nur, sie hätten eine andere Wohnung gemietet und/oder ihr Leben besser im Griff.

Corona für Vermieter und Mieter

Durch die als Corona bekannte Pandemie, welche sich momentan rasend schnell in Mitteleuropa verbreitet, kommt es zu teilweise dramatischen Veränderungen auch für Wohnraum- und Gewerbemietverhältnisse. Ich will hier kurz darstellen, worauf sich insbesondere Vermieter in den nächsten Monaten einstellen müssen:

  1. Die Gerichte (jedenfalls in Berlin) stellen faktisch ihre Tätigkeit ein. Schon jetzt sind (wie mir betroffene Richter telefonisch mitteilen) die meisten Geschäftsstellen nicht mehr besetzt. Gerichtstermine finden nach vorläufiger Planung bis 19.04.2020 nicht statt. Bereits anberaumte Termine werden aufgehoben. Neue Termine werden voraussichtlich erst nach einem Anlaufen des Betriebes bei den Gerichten und Abarbeitung der massiven Rückstände ab Juni 2020 anberaumt werden. Faktisch haben wir uns daher auf einen vorübergehenden Stillstand der Rechtspflege einzustellen.
  2. Es wird zunächst bei den von Betriebsschließungen und Stilllegung Betroffenen Betrieben der Gastronomie und des Einzelhandels, später auch bei praktisch allen anderen Gewerbemietern zu massiven Zahlungsausfällen und Insolvenzen kommen. Wie ich soeben erfahre, gehen auch größere Hotelketten derzeit in die vollständige Betriebsschließung, hier wird es zu Insolvenzen kommen. Selbst bei großzügigen staatlichen Hilfen ist nicht davon auszugehen, dass für Tausende kleiner und mittlerer Gewerbebetriebe kurzfristig die für die Aufrechterhaltung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Mittel bereitgestellt werden können. Hier wird es in den kommenden Monaten notwendig sein, dass entweder mit schließenden Mietern geklärt wird, ob eine sofortige Rückgabe des Objekts erfolgt oder ob dieses noch weiter bewirtschaftet wird. Denn ansonsten ist eine Objektbewachung oder Objektsicherung einzurichten – und das bedeutet weitere erhebliche Kosten.
  3. Mit kleineren Betrieben sollte unbürokratisch und direkt die Perspektive besprochen werden. Hier kommt eine teilweise Stundung, besser ein teilweiser Erlass der vereinbarten Miete in Betracht, wenn sich die Mieter im Gegenzug verpflichten, das Objekt sofort nach Ende der Schließung wieder zu eröffnen und in der Zwischenzeit zu bewirtschaften/bewachen. Sinnvoll erscheint nach dem derzeitigen Stand ein Zeitraum von drei bis 5 Monaten, also bis Juli/August.
  4. Ein vollständiger Stopp aller Mietzahlungen ist aus vielen Gründen nicht sinnvoll, auch nicht vorübergehend! Die meisten Gewerbetreibenden haben Rücklagen oder bekommen Überbrückungsgelder und staatliche Hilfen.
  5. Bei Wohnraummietern sollte vor allem Hektik vermieden werden. Hier wird es meist nicht sofort und nicht vollständig zu Zahlungsausfällen kommen. Bleiben einzelne Mieten aus, muss mit den Mietern persönlich und individuell geklärt werden, ob die Mietzahlungsfähigkeit nur vorübergehend beeinträchtigt ist und vor allem, ob staatliche Hilfen beantragt und zu erwarten sind. Die Mieter müssen/sollen schriftliche Belege/Unterlagen vorlegen! Ein vollständiger Stopp mit Mietzahlungen ist gerade bei Wohnraummietverhältnissen nicht akzeptabel! Keinesfalls sollte sofort und in jedem Fall Räumungsklage eingereicht werden.

Bedenken Sie: Die Weltwirtschaft steht nach Ansicht von Experten bereits jetzt in der vermutlich größten Krise aller Zeiten, denn eine komplett herunter gefahrene Wirtschaft lässt sich nur über Jahre wieder aufbauen. Versuchen wir, besonnen damit umzugehen!

Hausgemachte Verdrängung

Mail "Kotti& Co."Montag ist kein Schontag. Ich bekomme eine Spam-Mail von einer namentlich nicht gekennzeichneten Initiative „Kotti & Co.“, die zu einem Pressegespräch einlädt unter der Überschrift:

Hausgemachte Verdrängung!
Jetzt auch Mieterhöhungen im Sozialen Wohnungsbau bei einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft!

Unglaublicher Vorgang! Empörung! Mieterhöhungen werden nicht zurückgehalten, sondern sogar verschickt. Um 0,13 Eur/m² wegen planmäßigem Förderabbau. Wirklich unglaublich. Und die wirren, empörten Ausführungen auf den weiteren Zeilen der Presseerklärung zeigen, dass die namentlich nicht genannten Verfasser aber auch wirklich nichts verstanden haben. Zwar wurden die öffentlichen Mittel vorzeitig zurück gezahlt. Jedoch genießen die betroffenen Mietverhältnisse wegen der Nachwirkungsfristen 10 Jahre nach vorzeitiger Rückzahlung, längstens jedoch bis zum regulären Ablauf der öffentlichen Förderung, vollständigen Schutz vor übertriebenen Mieterhöhungen (§ 16 Abs. 1 WoBindG). Im konkreten Fall (eine geschwärzte Mieterhöhung ist beigefügt) läuft die Bindung noch bis 2022 und die Mieterhöhung beläuft sich auf 52,85 Euro monatlich. Für eine 103,39 m² große- und damit durchaus überdurchschnittliche und familiengerechte Wohnung. Dieses System gibt es übrigens seit den 50er Jahren. Und wo da der Aufreger sein soll, erschließt sich jedenfalls mir beim besten Willen nicht. Aber die selbst ernannten Ritter der Kokosnuss sind offenbar der Ansicht, dass jede Mieterhöhung böse ist. Und wollen wieder einen Wohnungsbestand wie in Berlin (West und Ost) der 80er Jahre, als wir hüben und drüben staatlich gedeckelte Mieten und als Folge einen spektakulär verrotteten Wohnungsbestand hatten.

 

Zweckentfremdung–der Tagesspiegel macht Drama mit Flüchtlingen

Unter der Überschrift “Bezirksamt nennt Wohnungsvermietung an Flüchtlinge „Zweckentfremdung” berichtet der Tagesspiegel über ein angebliches Fehlverhalten des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg – ein Vorgang, der weder vollständig recherchiert ist noch hat man beim Tagesspiegel das Problem verstanden. Der Fall dreht sich um eine früher als Ferienwohnung genutzte und danach vorübergehend als Wohnung vermietete Erdgeschosswohnung (nicht so etwas Luxuriöses und Gewerbliches wie im Bild).

Die eigentliche Meldung ist kurz und geht so:

Als Ralf F. die Mail vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg bekam, wollte er es erstmal nicht glauben. Das Amt untersagte ihm, eine bisher als Ferienwohnung genutzte Wohnung an ein geflohenes Paar aus dem Iran zu vermieten, obwohl schon alles bestens geregelt war: Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten war einverstanden, es hatte ihm schriftlich zugesichert, die ortsüblichen Mietkosten zu übernehmen. Ein Mietvertrag zwischen ihm und den Iranern war unterschriftsreif. Dennoch wollte die Fachabteilung Wohnen des Bezirks den Einzug der Flüchtlinge verhindern. Ihr Argument: Es handele sich um eine Wohnraumzweckentfremdung. Nach vielfachem Hin und Her gab Ralf F. „entnervt“ auf, er überließ die Wohnung einem anderen Mieter. Das Paar aus dem Iran lebt seither provisorisch bei Freunden.

Ein unmenschlicher Akt sei das, so meint der Tagesspiegel und beklagt, hier sei eine Vermietung von Wohnraum an Flüchtlinge letztlich durch das Bezirksamt verhindert worden. Ich habe nachgefragt: Der betreffende Eigentümer, ein Herr F., hatte dem Bezirksamt mit seiner Anfrage lediglich ein Mietvertrag zwischen ihm selbst und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten vorgelegt, dessen Inhalt die noch nicht definierte Überlassung der Wohnung an Flüchtlinge mit einer Kostenübernahme des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten war. Der angeblich (so heißt es später in der Meldung) unterschriftsreife Mietvertrag mit den Flüchtlingen lag dem Bezirksamt nie vor. Nach den üblichen Modalitäten in derartigen Fällen hätte es sich nur um eine tageweise Weiterlesen

AirBnB – Antidiskriminierung im Reich des Bösen

Offen gesagt: AirBnB ist für mich das Reich des Bösen mit Sitz in Kalifornien. Dieser Konzern verdient eine Menge (jedenfalls nicht in Deutschland versteuertes-) Geld damit, ein nach deutschem Recht in praktisch allen Fällen illegales Geschäftsmodell anzubieten: Die gewerbliche, über die Webseite von AirBnB beworbene und abgewickelte Vermittlung der Untervermietung von Wohnungen an Touristen nicht nur in Berlin. Wie etwa hier:

Startseite AirBnB "Berlin"

Privatwohnung zu vermieten

Was die zahllosen Anbieter und Kunden derartiger „Mitwohnmöglichkeiten“ dabei sorgsam verdrängen, ist die zumeist zivilrechtlich verbotene unterlaubte Untervermietung der eigenen- oder sogar für diesen Zweck angemieteten Wohnung

Wohl gemerkt geht es hier meistens nicht um die (möglicherweise sogar zulässige-) Vermietung ganzer „Ferienwohnungen“, die hoffentlich dann nicht der Zweckentfremdungsverbotsverordnung Berlin unterfallen, sondern darum, dass „normale“ Mieter von Wohnraum mit deutlich erkennbarer Wiederholungsabsicht ohne Genehmigung oder auch nur Kenntnis des Vermieters ihre Wohnung teilweise oder insgesamt tages- und wochenweise vermieten. Was im Regelfall nicht nur vertragswidrig ist (denn die gewerbliche Absicht schließt ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB aus), sondern den Vermieter auch zur Kündigung berechtigt. Nur wissen und erfahren die meisten Vermieter nichts davon. Denn die Angebote auf AirBnB sind nicht kennzeichnungspflichtig, Recherchen des Vermieters werden durch diese planmäßige Anonymisierung der Angebote erschwert, praktisch sogar unmöglich gemacht. Das macht AirBnB in meinen Augen zu einer Art Darknet des Wohnungsmarktes. Von der vermutlich in der Mehrzahl der Fälle fehlenden Versteuerung der illegalen „privaten“ Untervermietung der Wohnung einmal ganz abgesehen.

Da verwundert es, wenn AirBnB mich jetzt per Email darüber informierte, ich müsse den „Antidiskriminierungsrichtlinien“ des Konzerns in einer Aktualisierung der allgemeinen Geschäftsbedingungen beim nächsten Login zustimmen.

Antidiskriminierung

Antidiskriminierung bei AirBnB

Das liest sich wie die ökologischen Versprechungen einer Oldenburger Hühnerfarm und geht das Problem dieses verbotswürdigen Geschäftsmodells nur an einer sehr entfernten Ecke an. Und wirft eine weitere interessante juristische Frage auf: Warum soll jemand, der oder die in seiner/ihrer Privatwohnung ein Zimmer vermietet, nicht die eigenen Ansichten über Religion, Gott und die Welt auch für seine/ihre zahlenden Gäste verbindlich machen. Ist doch immerhin die Privatwohnung, Kernbereich der durch das Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrechte. Also doch gewerbliche Nutzung?

Jedenfalls hatte ich noch aus einer alten Recherche gegen einen besonders dreisten AirBnB-Vermieter aus Tiergarten einen Account, den ich nun endlich löschen lassen konnte.

Und nun bleibt nur zu wünschen, dass die Vertreter der Law-And-Order Fraktion sich endlich etwas Gutes einfallen lassen gegen solche Geschäftsmodelle. Eine Kennzeichnungspflicht für Anbieter (Personalien, Adresse der Wohnung), eine Strafbarkeit nicht gekennzeichneter Wohnungsangebote, eine Art „Kurtaxe“ mit gesamtschuldnerischer Haftung von Vermieter und Gästen für illegale Vermietungen, eine Pflicht zur Registrierung für jeden Wohnungsanbieter in Internetportalen – dies wären denkbare Maßnahmen gegen das Reich des Bösen. Geschieht hier nichts, wird das Darknet des Berliner Wohnungsmarktes weiter seine Vermittlung zweifelhafter Vermietungsaktivtäten betreiben können.

P.S.: Der Konzern hat nach einer Meldung vom Dezember 2015 einen Firmenwert von 25,5 Milliarden Dollar (in Zahlen 25.500.000.000 $). Das ist doch ein lohnender Gegner.

 

Angespannter Wohnungsmarkt Berlin

Die IBB lieferte mit Ihrem jährlich erscheinenden Wohnungsmarktbarometer schon im November 2015 die Zahlen zum Untergang des „freien“ Wohnungsmarktes. Wie aus dem IBB Wohnungsmarktbarometer 2015 ersichtlich ist, übersteigt die Nachfrage nach Wohnraum in allen Teilen der Stadt das Angebot dramatisch:

Quelle: IBB Berlin

Quelle: IBB Berlin

Dagegen bleibt der Nachfrageüberhang für Einfamilienhäuser auch auf Sicht von drei Jahren überschaubar. Im Stadtgebiet hat das in Flächenländern übliche Modell „Einfamilienhaus mit Garten, Carport und Auto“ ausgedient, was den Trend zur verkehrsgünstigen Stadtwohnung weiter verschärft.