Anmeldung Deutscher Mietgerichtstag 2006

Schwierig gestaltet sich die Anmeldung zur Herbsttagung des Deutschen Mietgerichtstags in Hamburg, wie mein Blog Mietrecht-Berlin: [Fwd: Anmeldung Deutscher Mietgerichtstag 2006] zeigt.

Wichtig und interessant wird die Tagung am 29.09.2006 in Hamburg trotzdem: Das „Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG)“ oder auch „Antidiskriminierungsgesetz“ wirft seine Schatten voraus. Meine Klienten fragen jetzt schon ganz besorgt, ob sie die komplett bärtige/verschleierte jordanische Großfamilie als Mieter der preisgünstigen 4-Zimmer Neubauwohnung ablehnen dürfen und wenn ja, mit welcher Begründung.

Also: Teilnehmen trotz der problematischen Hürden im Internetauftritt des Deutscher Mietgerichtstag.

Der BGH und wir IV – Zurückbehaltungsrecht bei Vermieterwechsel

Ein weiteres Verfahren vor dem BGH wurde erfolgreich abgeschlossen: Die finanziell offensichtlich etwas „klamme“ Mieterin hatte gegenüber dem von unserer Kanzlei vertretenen ehemaligen Vermieter geltend gemacht, der Wasserschaden sei noch nicht beseitigt und daher die Miete fast vollständig einzubehalten. Lebensfremd, fanden wir und der BGH schloss sich dieser unserer Meinung (die auch vom Landgericht geteilt wurde) an.

Dank geht bei dieser Gelegenheit an unsere ständige Korrespondenzanwältin in Karlsruhe, die RAin beim BGH von Gierke. Sie war trotz des sehr bescheidenen Streitwertes bereit, die Mandantin in dieser nicht ganz einfachen Sache zu vertretbaren Konditionen zu betreuen und tat dies (wie übrigens immer) mit viel Sorgfalt und Umsicht. Der nächste Millionenprozess ist mit Sicherheit wieder für Sie, Frau Kollegin!

Gaszentralheizung als Modernisierung

Das Problem ist bekannt: Der Mieter hat eine Gasetagenheizung und soll eine Gaszentralheizung bekommen. Subventionen der Gasag machen es (nicht nur in Berlin) möglich. Ob das eine Modernisierung ist, war jedenfalls früher heftig umstritten. Die Zivilkammer 67. des LG Berlin hat in diesem Punkt offensichtlich ihre Meinung geändert:

In älteren Entscheidungen war die Kammer noch der Ansicht, allein der Austausch der Anlagentechnik (um nichts anderes handelt es sich hier) stelle noch keine Modernisierung dar. Anders jetzt.

Die Umstellung führe zu einer Energieeinsparung1. Die Kammer hatte Beweis erhoben über die Energieverbräuche von Gasetagenheizungen zu einer modernen Gaszentralheizung. Der Gutachter ermittelte eine Energieeinsparung von 9,2 % auf der Basis von durchschnittlichen Benutzungswerten.

Die Entscheidung lässt außer Acht, dass bei einer Gasetagenheizung der Energieverbrauch individuell gesteuert und daher in besonderem Maße zu sparsamer Verwendung von Primärenergie motiviert wird. Das Problem scheint mir nicht zu sein, dass ein „objektiver“ Maßstab, also ein in jedem Fall durchschnittlicher Verbrauch des Mieters anzusetzen ist. Vielmehr ist allein die Option einer individuellen Steuerung des Verbrauchs eine objektive Möglichkeit zur Energieeinsparung. Die hat der einzelne Mieter hinter einer großen Gaszentralheizung mit einer gewissen Grundlast zweifelsohne nicht.

Fraglich erscheint auch, ob die lediglich geringfügige Energieeinsparung von rechnerisch 9,2 % eine nachhaltige Wertverbesserung darstellt. Vielmehr dürften derartig geringe Schwankungen und Unterschiede auf der Basis rein theoretischer Annahmen keine sichere Prognose über den Energieverbrauch ermöglichen.

1LG Berlin in MM 2005, 145

 

Richterin Paschke und der Durchschnittsmieter

Die (Vorsitzende-) Richterin am Landgericht Berlin Paschke schreibt im Grundeigentum (GE 2006, 265) über den durchschnittlich gebildeten Mieter oder auch Durchschnittsmieter. Die Autorin ist (das weiß ich aus mehreren unabhängigen Quellen) im Richterkollegium wie auch bei Anwälten und Prozessparteien für Zweierlei gefürchtet: Präzise Aktenkenntnis auch der entlegenenen Details sowie eine echt Berliner Kodderschnauze. Letzteres meint die manchmal grob wirkende, immer aber herzliche und direkte Ansprache, welche nicht nur die legendären Berliner Taxifahrer kultivieren.

Ein echter Gewinn, dass die Kollegin jetzt auch weniger juristisch schreibt, und zwar im Grundeigentum, unter der Rubrik .. Paschkes unjuristische Betrachtungen gleich auf der ersten werbefreien Seite. Es geht über den Durchschnittsmieter, eine juristische Fiktion, die ich noch aus den Zeiten kenne, als Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau gaaanz schwierig waren.

Das ist ebenso lesenswert wie die Kolumnen des Herausgebers Dieter Blümmel. Oder manchmal die Bemerkungen des Kollegen von Seldeneck aka RA Schandmaul im ansonsten eher entbehrlichen Info(letter) M.

Durchschnittlich muss er nämlich immer sein, der Mieter, welcher eine Betriebskostenabrechnung bekommt und bezahlen soll. Durchschnittlichkeit ist Voraussetzung der Fälligkeit und damit für den Vermieter Maßstab aller Dinge. Und das trägt Frau Paschke sehr schön vor. Bedenkt dabei aber leider nicht, dass (Bildungsnotstand und Massenarbeitslosigkeit sei Dank) der Durchschnitt im freien Fall befindlich ist. Der von ihr zitierte

33 bis 55 Jahre alte Mensch, der in der Dienstleistungsbranche tätig ist und dort 3.261 € brutto monatlich verdient… und Hauptschulabschluss hat

ist für die mir bekannten Vermieter schon eher der Ausnahmefall. In einigen Vierteln und Siedlungen Berlins ist Durchschnittsmieter

… der seit mehr als 5 Jahren arbeitslose Hauptschulabbrecher, Promille 1.8 an mindestens 12 Stunden täglich, Alter 18 – 48, politisch nicht interessiert und rechenschwach. Ach so: Leseschwäche war schon in der 4 Grundschulklasse vorhanden, woran sich später nichts geändert hat.

DAS ist doch dann eine echte Herausforderung für den bemühten Vermieter, der sich in solchen Fällen längliche Erläuterungen der Betriebskostenabrechnung sicher spart und statt dessen auf bunte freundliche Farben und große Schrift setzt.

Veröffentlichung: GE 2006, 265

Der Klavierlehrer wollte seinen Flügel in die (Privat-) wohnung bringen. Der Vermieter verhinderte das -offensichtlich mit Gewalt- und bekam (wegen der Gewalt zu Recht) eine einstweilige Verf?gung des LG Frankfurt aufgebrummt. So geht das nicht, lieber Vermieter (die Gewalt).

Anders dagegen die Rechtslage. So ein Urteil lädt doch zu Falschzitaten geradezu ein mit dem Leitsatz:

Der Mieter ist berechtigt, sein Klavier (Flügel) in die angemietete, statisch geeignete Wohnung zu verbringen. Das Musizieren schlie?t den Gebrauch des Instruments zur Unterrichtsvorbereitung, die der Mieter als Musiklehrer täglich ausübt ein.

Na klar. Statisch geeignet sollte die Wohnung schon sein. Wobei ein Konzertflügel mit ca. 800 kg auf vier Quadratmeter Gesamtfläche bei richtiger Aufstellung kein Problem sein sollte.

Aber: Der Herr Musiklehrer darf sich in der Wohnung nur vorbereiten, weil das häusliche Arbeit ist. Wenn er Unterricht gibt, stellt das m.E. klar eine nicht genehmigte gewerbliche Tätigkeit (Schüler kommen, Geld fließt) dar, die durch den Vermieter nicht hingenommen werden muss.

Da hätte der Vermieter besser warten sollen und dann abmahnen. Und die Ruhezeiten sind ohnehin zu beachten. Und (aus dem Kopf zitiert) mehr als vier Stunden täglich sind auch nicht angängig.

Der in Berlin nicht unbekannte Mietrechtsanwalt Gellwitzki legt in einem Aufsatz in WuM 2006, 126 ausführlich dar, warum der Mieter mit beispielsweise einem kaputten Wasserhahn ein Zuräckbehaltungsrecht am Mietzins (wir erinnern uns: bis zum fünffachen Minderungsbetrag gibt es zusätzlich) nicht nur gegenüber dem aktuellen-, sondern auch gegenüber dem nach Eigentümerwechsel früheren Vermieter haben soll.

Ausgangsfall war ein in unserer Kanzlei für den Vermieter vertretener Fall, wo ein Wasserfleck und dessen Ursache weder durch den alten Vermieter, noch durch den späteren Erwerber des Grundstücks beseitigt wurden. Die Mieterin behielt wesentliche Teile des Mietzinses zurück und verteidigte sich gegenüber der Zahlungsklage des alten Vermieters mit diesem mir etwas formaljuristisch erscheinenden Argument.

Bei allem Respekt: überzeugt hat mich der Kollege Gellwitzki weder damals im Prozess, noch jetzt mit seinem Aufsatz. Sippenhaft für Vermieter ist in meinem mietrechtlichen Weltbild noch nicht erfunden. Wer das Grundstück verkauft und übereignet, ist eben gegenüber dem (ehemaligen) Vertragspartner nicht mehr zur Instandsetzung verpflichtet. Es handelt sich quasi um ein Abwicklungsverhältnis, in dem für ein Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel kein Platz mehr ist.

Die freundlicherweise durch die Zivilkammer 63. des LG Berlin zugelassene Revision wird Ende Juni beim BGH verhandelt. Wir werden sehen…

Eisenschmidt: Energieeinsparung und Modernisierung (WuM 2006, 119)

Sozusagen als Erwiderung auf die Entscheidung des LG Berlin in GE 2005, 1193 stellt der Autor dar, warum der Begriff der „Energieeinsparung“ in § 554 BGB nicht auf die Einsparung von Primärenergie (beispielsweise Windkraft statt Strom), sondern auf die Energieeinsparung in der Wohnung (beispielsweise effizienterer Warmwasserboiler, verbrauchsgünstiger Heizölbrenner in der Zentralheizung) abstellt. Es ist nämlich nicht so, dass jede „volkswirtschaftlich sinnvolle“ Energieeinsparung (oder die Verminderung des CO2-Ausstoßes) automatisch zu einer Modernisierung führt. Vielmehr muss der Mieter in seinem Haushalt eine Energieeinsparung haben.

Fazit: Lesenswert, nachdenkenswert! +++++

Nachdenklich stimmt eine neue Entscheidung des LG Berlin, wonach die Umstellung auf Fernwärme immer eine Modernisierung darstellt. Denn es würde das Fernwärmenetz überwiegend aus Anlagen der Kraft-Wärmekopplung gespeist. Der Mieter habe die Maßnahme daher auch dann zu dulden, wenn in der Wohnung eine Gasetagenheizung vorhanden ist. Auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit komme es dabei nicht an.
Die Entscheidung ist von Eisenschmidt1 kritisiert worden. Sie beruht zunächst auf der rein wirtschaftlichen Annahme, dass Kraft-Wärmekopplung durch besseren Wirkungsgrad zur Einsparung von Primärenergie führt.

Dies ist nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um eine rein betriebswirtschaftliche Kosteneinsparung beim Energieversorger bzw. beim Wärmeerzeuger (a.a.O. Seite 121).

Auch die Physik und Naturgesetze streiten nicht mit dieser Entscheidung. Wer einmal (beispielsweise im Winter am Schloss Charlottenburg) gesehen hat, wie die in etwa 1,5 Meter Tiefe verlegten Fernwärmeleitungen kilometerweit den Boden aufheizen und für schneefreie Trassen sorgen, mag den Spruch mit der sparsameren Wärmeerzeugung nicht glauben. Jedenfalls unter Einbeziehung der massiven Transportverluste geht jeder Gamat-Außenwandheizer schonender mit der Primärenergie um als ein Kraftwerk, das ausschließlich oder in Kraft-Wärme Kopplung Wärme erzeugt.

In tatsächlicher Hinsicht ist die Entscheidung kritikwürdig, da in Berlin ein erheblicher Teil der als Fernwärme bereit gestellten Energie eben nicht aus Anlagen der Kraft-Wärmekopplung, sondern aus reinen Heizkraftwerken vor allem auch im Ostteil Berlins kommt.

Dogmatisch entscheidend ist aber für Eisenschmidt, dass die Energieeinsparung bei einer Modernisierung nach dem Wortlaut des § 554 Abs. 2 BGB neuer Fassung beim Mieter (und nicht beim Energieversorger oder Produzenten der Energie) eintreten soll. Ist dies – wie bei der Fernwärmeversorgung – nicht der Fall, würde über die Zulassung einer modernisierungsbedingten Mieterhöhung in derartigen Fällen der Energieversorger oder Wärmeproduzent unzulässigerweise quersubventioniert.

Jedenfalls in Berlin gibt es immer noch einige Heizkraftwerke, die nichts anderes tun als Fernwärme zu erzeugen und diese dann völlig unwirtschaftlich per Rohr über Kilometer zum Verbraucher zu liefern. Das heizt die Bürgersteige und ist vielleicht kostengünstig für die Bewag, jedoch keine Einsparung von Primärenergie.

1WuM 2006, 119